Erben ohne Trauschein – Probleme ohne Ende
Wer unverheiratet in einer festen Partnerschaft lebt, hat keinen Anspruch auf das Erbe des Lebensgefährten. Für die nichteheliche Lebensgemeinschaft gilt das für die Ehe vorgesehene Recht nicht, nach dem der Ehegatte erbt. Der Gesetzgeber behandelt den nichtehelichen Lebenspartner wie einen Fremden.
Hierzu ein Beispiel:
Ein Polizeihauptwachtmeister ist 45 Jahre alt und lebt seit 5 Jahren mit einer Lehrerin zusammen. Beide haben keine Kinder und wollen auch in Zukunft keinen Nachwuchs. Das Paar hat sich vor 2 Jahren eine schicke Wohnung im Gesamtwert von Euro 150.000,00 gekauft. Die Wohnung gehört beiden zur Hälfte. Um im Ernstfall abgesichert zu sein, haben beide Risikolebensversicherungen über jeweils Euro 100.000,00 abgeschlossen, welche im Todesfall an den anderen Lebenspartner ausbezahlt werden sollen. Ein Testament ist nicht vorhanden.
Wenn nun einer von beiden stirbt geht der überlebende Lebenspartner leer aus. Stattdessen forscht das Nachlassgericht nach verwandten Angehörigen. Stirbt die Lebensgefährtin und hat noch Eltern so erben diese; stirbt der Lebensgefährte und hinterlässt Mutter und zwei Brüder, so entsteht eine sich aus diesen zusammensetzende Erbengemeinschaft.
Hinsichtlich der Wohnung bedeutet dies folgendes: Die Wohnung fällt in die Erbengemeinschaft. Beim Tod der Lebensgefährtin gehört dann die Wohnung jeweils zu einem Viertel ihrem Vater sowie ihrer Mutter. Stirbt der Lebensgefährte so sieht die Sachlage noch komplizierter aus. Die Mutter erhält einen Anteil von 1/4 an der Wohnung und die Söhne jeweils einen Anteil von 1/8. Der Streit durch eine solche Erbengemeinschaft mit dem überlebenden Lebenspartner, dem die Wohnung zu 1/2 gehört, ist vorprogrammiert.
Ein weiteres Problem ergibt sich hinsichtlich der abgeschlossenen Risikolebensversicherungen. Die Risikolebensversicherungen werden zwar an den jeweils anderen Lebenspartner ausbezahlt, doch wird sich die Freude hierüber in Grenzen halten, da unverheiratete Paare lediglich in den Genuss eines Freibetrages in Höhe von Euro 5.200,00 (Verheirateten steht ein Freibetrag in Höhe von Euro 307.000,00! zu) kommen. Die nichtehelichen Lebenspartner fallen darüber hinaus in die ungünstige Steuerklasse 3, in welcher Steuern in Höhe von 17-50% anfallen (Verheiratete: 7-30%). Im konkreten Fall werden unter Berücksichtigung des Freibetrages in beiden Fällen zusammen rund 43.000,00 Euro für den Fiskus fällig.
Um die vorbezeichneten Konsequenzen zu verhindern, müssen nichteheliche Lebenspartner schon zu Lebzeiten Vorsorge treffen. Zwar können nichteheliche Lebenspartner kein gemeinschaftliches Testament (sog. Berliner Testament) abschließen. Doch haben nichteheliche Lebenspartner zwei andere Möglichkeiten. So können sie sich jeweils gegenseitig im Wege von Einzeltestamenten zu Erben einsetzen. Der Nachteil hierbei ist allerdings, dass der jeweils andere Partner sein Testament hinter dem Rücken des anderen jederzeit widerrufen oder ändern kann. Eine solche Lösung eignet sich daher nur für Personen, die sich absolut vertrauen.
Eine andere Lösung stellt der Abschluss eines sog. Erbvertrages dar. Mit einem Erbvertrag können nichteheliche Lebenspartner die gleichen Bindungswirkungen wie bei einem gemeinschaftlichen Testament erzielen.
Der Erbvertrag muss notariell und bei gleichzeitiger, persönlicher Anwesenheit beider Vertragsteile (Vertretung nicht zulässig) geschlossen werden. In einem Erbvertrag legt der Erblasser gegenüber dem anderen Vertragsteil verbindlich (!) fest wer Erbe sein soll. Das können Familienmitglieder aber auch Dritte wie z.B. der nichteheliche Lebensgefährte sein. Die vertraglich festgelegte Erbfolge tritt dann beim Tode des zuerst Versterbenden Lebenspartners, wie wenn dieser testamentarisch verfügt hätte, ein. Entscheidend für die Wirksamkeit eines Erbvertrages ist stets, dass er mindestens eine vertragsmäßige, das heißt gegenüber dem anderen Teil verbindliche Verfügung enthält. Das muss im übrigen nicht unbedingt eine Erbeinsetzung, sondern können auch ein Vermächtnis oder eine Auflage sein. Ein einseitiger Widerruf ist beim Erbvertrag im Gegensatz zum Einzeltestament nicht möglich.
Die in der Praxis häufig gestellte und von Besorgnis getragene Frage, ob der Erblasser nach Abschluss eines Erbvertrages zu Lebzeiten noch frei über sein Vermögen verfügen kann, ist zu bejahen. Hat also zum Beispiel ein nichtehelicher Lebenspartner seinem Lebensgefährten per Erbvertrag das ihm gehörende Haus vermacht, so kann er es anschließend dennoch veräußern, ohne das der andere Lebenspartner hiergegen erfolgreich vorgehen könnte. Der Erbvertrag ändert also nichts an dem freien Verfügungsrecht zu Lebzeiten, sperrt aber weitere Verfügungen von Todes wegen. Für den Fall, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft bereits zu Lebzeiten wieder aufgelöst wird, sollte unbedingt ein Rücktrittsrecht mit in den Erbvertrag aufgenommen werden.
Hätten sich der Polizeihauptwachtmeister und die Lehrerin gegenseitig als Erben im Wege eines Erbvertrages eingesetzt, so wäre die dargestellte gesetzliche Erbfolge d.h. ein Einrücken der Verwandten in die Position der Miteigentümer an der Wohnung vermieden worden.
Zu beachten sind im Todesfall allerdings noch die Pflichtteilsansprüche der Verwandten, welche in Höhe der Hälfte der gesetzlichen Erbteile bestehen. Um einen Zugriff auf die Wohnung im Erbfall zu verhindern, sollten diese möglichst bar abgefunden werden. Die Partner sollten daher so schnell wie möglich ihre bestehenden Lebensversicherungen ändern. Die versicherten Personen sollten bleiben, doch die Versicherungsnehmer sollten ausgetauscht werden. Dadurch würden keine Erbschaftssteuern mehr anfallen, so dass die beiden Partner beim Tod des zuerst Versterbenden in den vollen Genuss der Versicherungsleistung kommen würden. Mit diesem Geld könnten dann auch bequem die Pflichtteilsansprüche der Verwandten bedient werden, ohne die Gefahr einer Verwertung der Wohnung heraufzubeschwören.
Tipp: Der Erbvertrag sollte bei der erbrechtlichen Gestaltung die Ausnahme bleiben und nur in bestimmten Fällen zur Anwendung wie z.B. zur Absicherung eines nichtehelichen Lebenspartners, kommen. Im Gegensatz zum Erbvertrag lässt sich ein Testament jederzeit ändern oder ergänzen, um geänderten familiären Entwicklungen Rechnung tragen zu können.
gez. RA Weber, Bonn