Voller Freizeitausgleich für geleisteten Bereitschaftsdienst!

bereitschaftIn einer Vielzahl von Fällen des Einsatzes der Bundespolizei wird die tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in der Kumulation von Volldienst und Bereitschaftsdienst überschritten. In vielen Fällen handelt es sich dabei um „Zuvielarbeit“. Bisher erhalten die Beamten der Bundespolizei für geleisteten Bereitschaftsdienst nur einen 50prozentigen Freizeitausgleich. Die GdP, Bezirk Bundespolizei, erachtet diese in Erlassen festgeschriebene Haltung des Bundesministeriums des Innern (BMI) als rechtswidrig und fordert einen 1:1-Freizeitanspruch für geleisteten Bereitschaftsdienst.

Im Mai 2014 äußerte der Bundesinnenminister, dass der Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienst eine Rechtsfrage sei, über die die Gerichte abschließend entscheiden sollen. Das ist inzwischen erfolgt: Gerichtsentscheidungen aller Instanzen haben bestätigt, dass die bisherige Haltung des BMI mit EU-Recht nicht in Übereinstimmung steht:

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zu der Frage, dass für geleisteten Bereitschaftsdienst im vollen Umfang und nicht nur hälftiger Freizeitausgleich zu gewähren ist, eindeutig und mehrfach geäußert.Insofern ist die seinerzeit diskutierte Rechtsprechung des OVG Lüneburg aus 2011 zum CASTOR-Einsatz der niedersächsischen Polizei und darauf resultierenden Freizeitausgleichsansprüchen in den Folgejahren inhaltlich durch das BVerwG bestätigt worden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Blick auf die EU-Arbeitszeitrichtlinie und diverse Entscheidungen des EuGH zum vollen Ausgleichsanspruch mehrfach festgestellt, dass einerseits nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG sowie Art. 2 Nr. 1 RL 93/104/EG Zeiten des Bereitschaftsdienstes in vollem Umfang in die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit einzubeziehen sind und Bereitschaftsdienst wie Volldienst zu werten ist, da die Beamten in der Dienststelle anwesend und jederzeit einsatzbereit sein mussten und andererseits Zeiten des Bereitschaftsdienstes in vollem Umfang auszugleichen sind, weil eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes dem Sinn und Zweck der unionsrechtlichen Arbeitszeitregelung widersprechen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 – 2 C 32.10 – BVerwG 140, 351 Rn. 11 bis 14, BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 29/11 –, BVerwGE 143, 381-396; BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 18/11 –, juris).

2.) Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem Urteil zur Bundespolizei am 24.08.2015 (Az.: 1 A 421/14) entschieden, dass eine für geleistete Mehrarbeit zu gewährende „entsprechende Dienstbefreiung“ im Sinne von § 88 Satz 2 BBG für Bereitschaftsdienstzeiten im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV im Verhältnis 1:1 zu erfolgen hat; für eine Stunde abgeleisteten Bereitschaftsdienst ist daher eine Stunde Dienstbefreiung zu gewähren, nur dann ist Freizeitausgleich auch „entsprechend“.

3.) In der jüngsten diesbezüglichen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 2. Dezember 2015 (Az.: 26 K 58.14) ebenfalls für die Gewährung von Freizeitausgleich in vollem Umfang für geleisteten Bereitschaftsdienst geurteilt. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG sei Bereitschaftsdienst arbeitszeitrechtlich wie Volldienst zu behandeln. Die Vorschrift verfolge das Ziel, die Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit zu gewährleisten, wenn der Beamte aufgrund von Mehrarbeit in Form von Bereitschaftsdienst gezwungen sei, auf die ihm zustehende Freizeit vorübergehend zu verzichten.

Angesichts dieser eindeutigen Urteile besteht bei der GdP keinerlei Verständnis (mehr), dass das BMI immer noch an der bisherigen, abwegigen Position festhält, für geleisteten Bereitschaftsdienst nur einen 50-prozentigen Freizeitausgleich zu gewähren.

Man sollte – auch angesichts der ohnehin sehr hohen Belastung – den Beamtinnen und Beamten nicht zumuten, durch massenhafte Einzelklagen duplizierende Rechtsprechung zu produzieren. Eine weitere Verzögerung und damit ein weiteres Anwachsen von Ausgleichsansprüchen kann zudem auch zu erheblichen finanziellen Belastungen des Bundes führen, wenn den Beamtinnen und Beamten die angewachsenen Ausgleichsansprüche nach Treu und Glauben finanziell abzugelten sind.

Wir plädieren dafür, dass das BMI seine bisherige Haltung umgehend aufgibt und die bisherigen, mit der Rechtslage nicht in Übereinstimmung stehenden Erlasse unverzüglich aufhebt.

Unseren Mitgliedern empfehlen wir wegen des Grundsatzes der „zeitnahen Geltendmachung“ ausdrücklich, unverzüglich bei Überschreiten der wöchentlichen Höchstarbeitszeit einen Freizeitausgleichsanspruch und unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit schriftlich geltend zu machen. Hilfe gibt der Personalrat und die GdP-Kreisgruppe. Denn Ausgleichsansprüche können unter Umständen erst ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistete Zeit gelten. Die Rechtspositionen zu dem Antragserfordernis sind noch umstritten, deshalb ist man mit einem Antrag auf der sicheren Seite. Dabei ist zu bemerken, dass der Bezugszeitraum für das Überschreiten der 48-Stunden-Arbeitszeithöchstgrenze pro Woche nach letzter Entscheidung des BVerwG nicht mehr das Jahr, sondern der Sieben-Tages-Zeitraum ist (BVerwG Urteil vom 17.09.2015, Az.: 2 C 26/14).

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